Götter

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  • Nun tummel ich mich auch mal unter die ganzen begabten Autoren. Ich schreibe bereits seit vielen Jahren immer wieder kleinere Geschichten und auch Gedichte um so gewisse Dinge zu verarbeiten. Oft auch einfach nur um mich zu beschäftigen. Meistens handelt es sich dabei um Dramen mit viel Schmalz, die wahrlich nicht jedermanns Geschmack sind.

    Heute mag ich einfach mal eine meiner ersten Geschichten zu Buche tragen und schauen, was ihr davon haltet. Entstanden ist die Geschichte Ende 2008 als ich während meiner Ausbildung gelangweilt im Büro saß. Da muss ich ... 18 gewesen sein. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht das Ganze nieder zu schreiben, auch wenn die Geschichte selbst keine schöne im spaßigen Sinne ist. Da sie auch so alt ist, habe ich sie etwas überarbeitet (man lernt ja doch dazu xD).

    Die Geschichte besteht aus 2 Akten, welche nahtlos ineinander überlaufen. Ich werde erstmal nur den 1. Akt posten und schauen wie die Resonanz ist. Wenig später wird der zweite Teil folgen.

    Wichtig: Kritik ist sowas von gern gesehen!
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    AKT 1

    In den alten Geschichten hieß es immer, wenn der erste Schnee fällt sei es Zeit den Göttern Gaben für einen sanften Winter zu geben. Scharenweise seien die Menschen in die Tempel geströmt um zu beten und ihr letztes Hab und Gut den heiligen Geschöpfen jenseits von uns zu hinterlassen, um einem albernen Aberglauben zu folgen.
    Götter existieren nicht. Dessen bin ich mir sicher. Niemand schaut von oben auf uns herab und interessiert sich für unsere Probleme und Nöte. Kein göttliches Phantom kann die Kräfte der Natur beeinflussen. Auch nicht die Geister die sich unserer Gaben bedienen. Es sind keinesfalls die Götter die für das Verschwinden unserer Opfergaben zuständig sind. Nein, das sind andere Mächte. Mächte die mir das Liebste genommen haben, was es je in meinem lange währenden Leben gegeben hat...

    Mein Name ist Thari. Ich gehöre dem Stamm der Blauelfen an. Wesen mit blau schimmernder Haut und kleinen fluguntauglichen Schwingen auf dem Rücken. Schwimmhäute zieren unsere schmalen Hände. Wir leben südlich des Berges Húyan am großen Meer zu Kaare, dem Gott des Wassers. Ein weiteres Einbildnis der Völker auf Krúlay.

    Es war ein Tag wie jeder andere auch, als die weißen Flocken vom Himmel fielen, doch das ausgelassene Treiben verwandelte sich von einer Sekunde auf die andere in eine kaum wahrnehmbare Besorgnis. Die Erträge des Herbstes waren schlecht gewesen. Der Regen war ausgeblieben und die Sonne hatte unermüdlich auf unsere Felder gebrannt. Das salzige Wasser unserer Heimat hatte uns nicht helfen können, und so war mehr als die Hälfte der Ernte verdorben gewesen. Hunger zählte zu den größten Leiden zu dieser Zeit und niemand wusste, wie er die Götter besänftigen konnte. Niemand hatte etwas, was er hätte geben können. Keinen Laib Brot, keinen Sack Mehl, nichts. Und so... entschieden sich die Elfen zu einem Opfer, das mein Leben für immer zeichnen sollte...

    „Thari!“, rief eine Stimme aufgeregt meinen Namen und ich drehte mich lächelnd um. Ein junger Elf kam auf mich zu. Das breites Grinsen zierte ein Gesicht, dass ich so sehr liebte. Sein blaues Haar war wie immer wirr auf seinem Kopf, doch seine schwarzen Augen lachten mich an. „Lyard“, erwiderte ich und stellte das Buch zurück ins Regal wo es hingehörte. Still war es in der Bibliothek und einige hatten verärgert aufgeschaut, als er laut meinen Namen gerufen hatte.
    „Schrei doch nicht immer so rum, Lyard. Eines Tages wird dein Vater dir noch Hausverbot erteilen, wenn du ständig die Ruhe in diesen Hallen störst.“, flüsterte ich und zwinkerte ihm lächelnd zu. „Ach nun sei doch nicht so. Mein Vater hat mir so was gar nicht zu sagen und außerdem kann mich nichts davon abbringen dich hier zu sehen.“, entgegnete er prompt und zog eine Schnute. Ich musste lachen. Eilig fasste ich ihm am Arm und zog ihn in Richtung der Tür, die nach draußen führte.
    „Lass uns hier verschwinden. Ich kann nicht riskieren meinen Stelle zu verlieren..“, sagte ich, worauf er schnaubte. „Was?“ „Nichts, nur ist Vater froh dass sich überhaupt wer um die Angelegenheiten der Bibliothek kümmert. Er würde dich nicht rausschmeißen, solange du nichts Schlimmeres machst als dich mit mir zu unterhalten.“ Er zwinkerte.
    Lyard’s Vater war das Oberhaupt des Dorfes und hatte über alles seine Entscheidungen zu treffen. Angefangen bei der Wahl des Mehls für das Brot bis hin zu den Verwaltungsaktivitäten der Gemeinschaft. Lyard sollte sein Nachfolger werden, doch wenn er sich weiter so kindlich und eigen benahm, bezweifelte ich, dass das nicht in einer Katastrophe enden würde.
    „Hmpf. Was willst du eigentlich hier Lyard? Musst du nicht arbeiten“, fragte ich und legte den Kopf schief. Er lächelte. „Du siehst süß aus, wenn du so guckst, weißt du das?“, entgegnete er und lachte als ich ihn erschrocken anschaute. „Nein also. Ich hab mir heute frei genommen. Hat eine ganze Menge Überzeugungskraft gebraucht bis ich das in der Tasche hatte. Ich habe nämlich heute was ganz Besonderes vor. Und genau aus diesem Grund hast du heute auch frei.“
    Erschrocken schaute ich ihn an. „Bitte was?“
    „Deine Dankbarkeit in allen Ehren“, erwiderte er ironisch. „aber wir Zwei haben heute etwas vor, also bitte sei so lieb und verdirb es mir nicht, okay?“
    Sanft lächelte er mich an und in meinem Bauch kribbelte es. Vorsichtig nickte ich und sein Grinsen erschien wieder.
    „Na dann“, rief er. „Auf geht’s, wir haben viel vor. Als erstes musst du dich ein Weilchen ausruhen. Heute Nacht musst du ausgeschlafen sein. Leider geht es nur zu dieser Tageszeit. Mein Vater würde die Wände hochgehen, wenn er das erfährt. Während du schläfst werde ich den Rest vorbereiten und hole dich dann ab. Einverstanden?“
    Wieder nickte ich einfach nur und bevor ich noch etwas erwidern konnte, hatte er mich an der Hand genommen und zog mich hinter sich her.
    Lyard lieferte mich bei mir zu Hause ab und verabschiedete sich von mir, mit dem Versprechen, bei Anbruch der Dunkelheit wieder da zu sein und mich abzuholen.
    „Schlaf gut Thari“, rief er noch einmal, dann war er verschwunden.
    „Was für ein verrückter...“, sagte ich leise und schüttelte amüsiert den Kopf.
    So wie er es von mir verlangt hatte stieg ich gleich darauf ins Bett und die Müdigkeit legte sich wie ein Schatten über mich…

    „Thari...Hey Thari. Wach auf.” Sanft tippte immer wieder etwas gegen meine Schulter und ich öffnete mürrisch die Augen.
    „Was zum...?“
    Dunkelheit umgab mich und trotzdem erkannte ich den vertrauten Schatten der dort neben meinem Bett stand.
    „Lyard! Wie kommst du hier rein?“, rief ich erschrocken und er legte mir eine Hand auf den Mund.
    „Scht! Ja, bist du denn wahnsinnig? Schrei doch nicht so rum.“, flüsterte er. „Schon vergessen? Ich wollte dich abholen. Ich...Wir haben doch was vor.“ Ein vorsichtiges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. „Bitte Thari...verdirb es mir nicht. Und jetzt hoch mit dir. Zieh dich warm an, es ist kalt draußen. Ich warte vor dem Haus.“ Er lächelte mich noch einmal an und war verschwunden.
    Schnell stieg ich aus dem Bett und warf mir meinen langen schwarzen Mantel über die Schultern, nahm ein Tuch vom Stuhl und wickelte es mir um den Hals. Murrend ging ich die Treppe hinunter.
    „Da bist du ja!“, flüsterte er leise lachend. „Los komm mit.“
    Wieder nahm er ohne zu zögern meine Hand und zog mich ein Stück hinter sich her, bis ich plötzlich einen warmen Lufthauch neben mir spürte. Erschrocken wandte ich mich um und blickte in die schwarzen Augen eines Pferdes.
    „Lyard! Wo hast du das Pferd her!“, stieß ich überrascht hervor.
    Statt zu antworten kicherte er nur leise.
    „Ich weiß das du sie magst.“, sagte er nachdenklich und tätschelte liebevoll den Hals des Tieres. „Alles andere ist egal. Los hoch mit dir.“
    Er umfasste meine Taille und hob mich mühelos auf das Pferd.
    „Ich...Lyard ich kann nicht reiten...bitte..“, brachte ich hervor und klammerte mich mit zitternden Händen ängstlich an die Mähne des Pferdes. Ich konnte wirklich nicht reiten. Ich liebte diese Tiere ihrer Anmut wegen, nicht weil ich gerne ritt.
    Langsam schwang er sich auf das Pferd und setzte sich hinter mich. Er schlang seine Arme um meine Hüften um sich festzuhalten.
    „Bleib einfach ruhig“, flüsterte er sanft. Ein Schauer lief mir über den Rücken als sein Atem mein Gesicht streifte. Ich verspürte das Verlangen mich zu ihm umzudrehen. Meinen Kopf an seiner Brust zu legen. Seine Wärme und Nähe zu spüren.
    Vorsichtig nahm er meine Hände und löste sie sanft von der Mähne.
    „Nimm die Zügel Thari...“
    Gemeinsam griffen wir nach dem kalten Leder. Zittrig schlossen sich meine Finger darum.
    „Wovor hast du Angst?“, fragte er.
    „Ich...ich weiß nicht. Ich bin noch nie geritten...“, sagte ich leise und versuchte nicht nach unten zu gucken.
    Tatsächlich lag es an der Höhe. Ehrlich gesagt war ich noch nie sonderlich schwindelfrei gewesen. Und die Tatsache dass wir uns auf einem ausgewachsenen Pferd befanden, förderte nicht gerade meinem Wohlbefinden.
    „Thari...du hast Höhenangst. Schau einfach nicht nach unten. Schau dir die Sterne an. Schau dir das Meer an. Schau mich an. Alles nur nicht nach unten. Denk dran: Du willst es mir nicht verderben“, fügte er mit einem Zwinkern hinzu. Ich zuckte zusammen als ich spürte wie sich das Tier in Bewegung setzte. Ohne darüber nachzudenken was ich tat, drehte ich mich um und versenkte meinen Kopf an seine Brust. Ich schlang die Arme um seinen Körper und schloss die Augen. In Anbetracht der Position, in der ich mich befand, war das wahrlich kein einfaches und bequemes Unterfangen.
    Lyard lachte.
    „Ja, was soll das denn nun? So siehst du doch gar nichts. Komm schon Kleines, schau dir wenigstens den Himmel an.“ Als ich mich dichter an ihn drückte, seufzte er. „Bitte Thari. Tu mir den Gefallen.“
    Es kostete mich einige Überwindung aufzublicken. Doch statt auf den Himmel, fiel mein Blick auf sein Gesicht. Liebevoll und ein wenig amüsiert schaute er mich an. Da war Etwas in seinem Blick das mir vorher nie aufgefallen war und doch war es etwas, was mir vertraut vorkam. Etwas, das mich glauben lies, das ich bei ihm sicher war. Aufmunternd nickte er mir zu und ich wandte den Blick zum Himmel. Überrascht keuchte ich auf.
    Über mir waren Tausende kleiner Sterne, keine Wolke war zu sehen und der Vollmond schickte sein helles Licht zu uns. Als hätte man Puder am Himmel verteilt und mit leuchtender Farbe bemalt. Als würden Glühwürmchen am weiten Horizont tanzen. Das Meer war in ein sanftes Weiß getaucht und wirkte schöner denn je.
    „Oh Lyard...“, hauchte ich und kam aus dem Staunen nicht mehr hinaus. Er lachte leise und ich schaute verwirrt zu ihm. „Du müsstest dich sehen Thari. Du schaust aus wie ein kleines Kind das gerade das bekommen hat, was es sich immer gewünscht hat. Und...“, er zögerte. „Und?“, hakte ich nach.
    Statt zu antworten, nahm er mein Gesicht sanft in seine Hände. Lange sah er mich einfach nur an.
    „Ich muss verrückt sein...“, begann er leise.. „Alles was ich heute mache und gemacht habe...wenn mein Vater das alles erfährt wird er mich für verrückt halten. Ich kenne dich schon viele Jahre lang, Thari. Ich kenne tausend andere Personen. Doch du bist die einzige die es vollbracht hat, dass ich verrückt werde.“ Er lachte noch einmal und strich mir abwesend eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Es schien als wäre er gar nicht richtig anwesend. In irgendwelche Gedanken versunken „Weißt du... Ich hab lange überlegt ob es richtig ist, was ich heute tue. Nun ja. Egal wie ich es drehe und wende, ich komm immer wieder zu demselben Entschluss. Ich hab mich hoffnungslos in dich verliebt... Man das muss total bescheuert rüberkommen...“
    Verlegen strich er sich’s durch Haar und vermied es mir in die Augen zu schauen. Bei jedem seiner Worte war mir wärmer geworden. Jedes seiner Worte hatte eine Wirkung bei mir gehabt, die ich mir nie hätte träumen lassen.
    „Lyard...“, begann ich zögernd, doch er unterbrach mich „Nein, warte. Bevor du etwas sagst, möchte ich gerne etwas machen...“
    Er legte mir einen Finger unter das Kinn und hob mein Gesicht sachte an. Er schaute mir lange in die Augen, dann kam er näher und legte seine warmen Lippen auf meine. Es war als würde alles um mich herum verschwinden. Die Sterne. Das Meer. Der kalte Wind. Es gab nur uns beide, verbunden durch einen Kuss, der für immer in meinen Träumen widerspiegeln würde. Ich schlang meine Arme um ihn und er vergrub seine Hände in meinem Haar. Als der Moment vorbei war, stockte mir immernoch der Atem.
    „Thari, es...“
    „Shhh. Lyard. Ich...ich war mir nie sicher. Nie sicher ob es richtig ist was ich fühle, also habe ich geschwiegen. Ich hatte Angst das Falsche zutun. Aber, und mögen die Götter mich nicht verdammen, ich fühle genauso. Seit Jahren trage ich es mit mir herum und es ist eine unendliche Last, die du mir genommen hast. Ich liebe... dich...“
    Ich merkte gar nicht wir mir die Tränen gekommen waren. Doch jetzt liefen sie an meinen Wangen herab. Vorsichtig wischte er sie weg. „Wein doch nicht...“, sagte er. „Lass uns zurück reiten. Es ist kalt. Und ich will nicht das du Morgen die ganzen Bücherwürmer ansteckst.“ Er kicherte und ich boxte ihm leicht in die Seite. „Hey!“, beschwerte er sich. Ich lächelte ihn an. Er drückte mir noch einmal einen Kuss auf die Lippen und ritt dann zurück ins Dorf.

    Keiner von uns spürte den Schnee. Keiner von uns spürte, dass mit dem Anfang alles enden würde...
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    So viel Schmalz und Kitsch ... das war sogar mir unangenehm, als ich es mir jetzt noch einmal durchgelesen habe. Der zweite Teil folgt die Tage. o.o
  • Also mir gefällt dein Schreibstil sehr, du beschreibst das sehr genau (was ja wichtig ist um ein Bild vermitteln zu können) und ich für meinen Teil stehe auf Schmalz und Kitsch :D Ich freue mich also auf Teil 2 ^^
  • Danke! Ich denke aber, dass ich es jetzt doch eher mehr in Richtung Drama schreiben würde, damit man auch im ersten Akt bereits ein beklemmendes Gefühl bekommt und ahnt, dass da noch was passiert. Das ist mir leider, meinem Empfinden nach, in Akt 1 nur bedingt gelungen. Ich muss mal schauen, ob ich es irgendwann komplett neu auflege, so dass der Leser das Gefühl einer Vorahnung bzw. ein mulmiges Gefühl bekommt. Heute bin ich damit nicht mehr ganz so zufrieden wie vor 5 Jahren. Es ist ... zu viel Kitsch, wenngleich ich voll auf sowas abfahre. xD
  • Hier dann auch noch der versprochene zweite Teil.
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    AKT 2

    Als ich am nächsten Morgen erwachte, merkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Ein Blick aus dem Fenster sagte mir, was los war: Schnee. Schnell zog ich mich an und rannte zum Marktplatz, wo ich, wie ich schon vermutet hatte, eine große Menschenmenge vorfand.
    Panisch redeten alle durcheinander. Jeder wusste dass es dieses Jahr unmöglich sein würde Opfergaben zu geben.
    Während ich mich durch die Menschenmassen drängte, fragte ich mich immer wieder was jetzt passieren würde. Welche albernen Möglichkeiten die Dorfbewohner sich jetzt suchen würden, um die Phantome der Götter zu besänftigen.
    Als sich zwei Arme um meine Hüften schlangen, quiekte ich erschrocken auf.
    „Schöne Frau, wären sie so gnädig mir zu sagen was sie hierher treibt?“, sagte eine Stimme hinter mir und ich seufzte erleichtert auf.
    „Lyard! Du , verrückter Junge! Erschreck mich nicht immer so!“, maulte ich ihn an und er zog eine Schnute.
    „Es tut mir leid, holde Maid und doch muss ich euch Recht geben. Ich bin verrückt.“, gab er grinsend zurück.
    „Der erste Schnee dieses Jahr... Vater war ganz panisch heute Morgen. Er hat keine Ahnung wie er die Opfergaben beschaffen soll. Das Ganze Jahr waren die Götter scheinbar schon gegen uns. Und jetzt steht uns auch noch ein harter Winter bevor...“
    Abwesend war sein Blick zur Mitte des Marktplatzes geglitten wo sich eine kleine Gruppe um einen älteren Mann versammelt hatte. Jetzt richtete dieser Mann sich auf und wendete sich der Menge zu. Seine laute Stimme übertonte das Aufgeregte Gemurmel.
    „Ruhe! Ich bitte um Ruhe, werte Bürger.“, rief er aus. Sofort verstummte die Stimmen und Stille kehrte ein.
    „Wie ihr sehen könnt, haben uns die Götter den ersten Schnee geschickt, als Zeichen, das es Zeit ist ihnen unsere Gaben zu erbringen. Ich denke nicht, dass wir einen harten Winter nach dem bereits vergangenen Jahr überstehen würden. Und doch haben wir ein Problem.“
    Er hielt inne als sich wieder Getuschel erhob. Geduldig wartete er bis ihm wieder die ganze Aufmerksam galt.
    „Unsere Ernte war schlecht. Und durch den Hyúan blieb es uns verwehrt Handel zu treiben. Wir können keine Nahrung anbieten. Also sind uns sie Hände gebunden. Wir, das heißt ich und der Hohe Rat, haben lange überlegt wie wir einen schweren Winter vermeiden könnten. Wir sind auch zu einem Entschluss gekommen. Keinem von uns viel es leicht das zu beschließen. Am aller wenigsten mir. Bitte glaubt mir wenn ich euch sage das es wirklich unsere letzte Möglichkeit ist.“
    Schweigend hingen die Personen an seinen Lippen und ich wusste, dass sich alle die gleiche Frage stellten: Was würde er tun?
    Ein scharfer Schmerz in meiner Schulter lies mich aufkeuchen. Lyards Hand hatte sich in meine Schulter gekrallt. Seine Knöchel traten weiß hervor.
    „Lyard, du tust mir weh. Lyard? Würdest du bitte...“
    Als ich in sein Gesicht sah, runzelte ich die Stirn. Entsetzt starrte er seinen Vater an. Die Augen ängstlich, fast panisch auf das Oberhaupt des Dorfes gerichtet.
    „Er wird doch nicht...“, flüsterte er und ich schaute ihn verwirrt an. Wusste er etwa was sein Vater vorhatte? Schaute er deshalb so panisch?
    Angst stieg in mir Hoch. Ich hatte Lyard noch nie so erlebt. Noch nie hatte ich Panik oder ähnliches bei ihm gesehen. Die Stimme des Dorfoberhaupts drang wieder an mein Ohr und ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Mitte des Marktplatzes.
    „...und so haben wir beschlossen den Göttern das höchste Opfer zu bieten was wir ihnen geben können. Jemand aus unseren Reihen wird sich fügen und sie besänftigen. Einer von uns wird sich Opfern. Morgen...“ Während er sprach glitt sein Blick über die Menge und blieb bei seinem Sohn hängen. Schmerz zeichnete sich in seinen Augen ab und mit einem Mal begriff ich, was hier los war.
    Lyards Angst. Der Schmerz in den Augen seines Vaters. Es war nicht irgendjemand der hier geopfert werden sollte. Nein. Hier sollte das geopfert werden, das mir wichtig war. Das wichtigste, das es je für mich gegeben hat.
    „Nein...“, flüsterte ich. Lyard hatte die Arme um mich geschlungen und ich spürte, dass er zitterte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich auf den Boden.
    Es war als würde man mir meine Seele nehmen. Als würde man einen Teil von mir in einen Käfig stecken und den Schlüssel einfach verlieren.

    Sie würden Lyard als lebendes Opfer hinrichten. Würde ihn in die Obhut der Phantome übergeben. Würde ihn mir nehmen.
    Erst als seine sanfte Stimme an mein Ohr drang, merkte ich, dass ich weinte. Schluchzer schüttelten meinen Körper und ich schmiegte mich an seine Brust.
    „Nein.“, flüsterte ich immer wieder. Ich spürte nicht wie er mich hochhob und wegtrug. Ich hörte seine versuche mich zu beruhigen nicht.
    Eisige Dunkelheit legte sich über meine Augen und fiel in die Abgründe meiner Ängste...

    Als ich aufwachte war es Dunkel. Meine Augen brannten vom vielen weinen.
    Ich versuchte mich aufzurichten, bis ich einen warmen Körper neben mir spürte. Vorsichtig blickte ich zu Seite und schaute in die schwarzen Augen Lyard’s.
    „Hey...“, murmelte er und strich mir über die Wange. Sofort spürte ich wieder den Kloß in meinem Hals. Er zog mich zu sich herunter und drückte seine Lippen auf meine.
    „Ich will nicht, dass...dass...“, wisperte ich mit zittriger Stimme, doch er schüttelte den Kopf.
    „Shh...Thari...Lass uns nicht darüber reden...bitte. Nicht jetzt. Nicht heute.“
    Bevor ich etwas entgegnen konnte drückte er mir wieder einen Kuss auf die Lippen. Dieser war länger und zärtlicher als die anderen, die er mir bis jetzt gegeben hatte. In ihm lag Schmerz. Er zog mich an sich und ich presste meinen Körper an seinen. Ich hatte Angst ihn loszulassen. Angst davor, dass er einfach verschwinden würde, wenn ich ihn nicht berührte.
    Langsam glitten seine Lippen meinen Hals entlang und verweilten auf meinem Schlüsselbein.
    „Ich liebe dich...“, sagte er leise.
    „Lyard...lass es nicht wie einen Abschied klingen. Du verlässt mich nicht. Du bleibst bei mir. Ich liebe dich auch. Mit allem, was ich habe. Ich brauche dich...“
    Zum zweiten Mal in dieser Nacht weinte ich.
    Wieder küsste er mich. Immer und immer wieder. In jeder seiner Küsse spürte ich seinen Schmerz. Seine Angst. Seine Liebe,
    Ich wüsste, dass es das letzte Mal sein würde, dass er mich so küssen würde. Das letzte Mal das er mich festhielt. Das einzige Mal, dass wir uns liebten...

    Sonnstrahlen blendeten mich als ich erwachte. Vorsichtig öffnete ich die Augen. Ich wollte nicht, dass dieser Tag begann.
    Lyard hatte seine Arme um mich geschlungen und schlief friedlich. Nichts zeigte seine Angst.
    Vorsichtig richtete ich mich auf nur um sogleich wieder runtergezogen zu werden.
    „Bleib hier...“, murmelte er. Seufzend legte ich meinen Kopf auf seine warme Brust.
    „Ich hab Angst...Ich…ich...“, brachte er hervor und küsste mein Haar. „Ich will nicht sterben Thari...“
    Ich zuckte zusammen, erschrocken von seinen Worten. Erschrocken davon, dass es an der Tür pochte.
    „Wissen sie, dass du hier bist?“
    „Mein Vater...“, sagte er nur und stand auf, zog sich seine Sachen an und warf sich seinen Mantel über.
    „Ich liebe dich Thari. Bitte versprich mir, dass du nicht kommen wirst. Pass auf dich auf...“
    Bevor ich ihn aufhalten konnte, war er verschwunden.
    Allein blieb ich zurück. Nur ich und der Schmerz, der in meinem Herzen pochte.
    Gegen Abend sollte es passieren. Ich hatte Angst ihm zu folgen. Wollte seiner letzten Bitte Folge leisten. Doch am Abend, schaffte ich es nicht mehr.
    So schnell ich konnte war ich zum Marktplatz gerannt und schluchzte als ich ihn sah.
    Nur ein Leinenhemd zierte seinen Körper. Seine Hände und Beine hatte man mit Stricken aus Stoff zusammen gebunden. Ein Bild, das mein Herz zusammen zog.
    „Oh Lyard...“ flüsterte ich.
    „Wir haben uns heute versammelt...“, rief eine laute Stimme. Es war Lyards Vater. Das Monster, das seinen eigenen Sohn hinrichten lies. Nur um den Phantomen etwas zu bieten.
    „…um die Götter zu besänftigen. Es fällt mir schwer, dass zu tun, doch es ist das höchste was wir...was ich bieten kann. Hiermit verkünde ich, dass wir Lyard, meinen geliebten Sohn zu den Göttern schickten werden. Er wird sie besänftigen und wir werden alle Überleben. Ein Leben wird das von tausend anderen retten.“
    Er endete und nickte den beiden Männern zu, die links und rechts von meinem Geliebten standen.
    Scharfe Speere glänzten im Sonnenlicht der Abenddämmerung. Beide hoben sie die Lanzen an und zielten auf Lyards Körper. Gleichzeitig stießen sie zu und mein Schrei kam ohne, dass ich es verhindern konnte.
    „NEEEIN!“
    Lyards Blick traf meinen, bevor er ausdruckslos wurde. Dann erschlaffte sein Körper. Fiel zusammen. Um mich herum wurde es schwarz. Ich hatte gewünscht ich würde auch sterben. Doch auch die Ohnmacht hieß ich willkommen.
    Bevor ich das Bewusst sein verlor, hörte ich noch einmal sein Lachen. Dann...war es schwarz um mich herum.

    Nach diesen Ereignissen, wurde ich zu einem Wesen das jegliche Freude am Leben verloren hatte. Immer wieder sah ich sein Bild vor mir, als er mir, wenige Sekunden vor seinem sinnlosen Tod, in die Augen geschaut hatte. Wie er mir mit schmerzerfüllten und voller Trauer seinen Blick geschenkt hatte. Etwas war zu diesem Zeitpunkt in mir zerbrochen.
    Der darauf folgende Winter war hart gewesen. Nur wenige hatten ihn überstanden. Viele waren entsetzt, einzusehen, dass es nicht mehr als Phantome waren, an die sie glaubten. Lyards Vater hatte sich das Leben genommen. Nie hatte er sich verzeihen können, seinen eigenen Sohn geopfert zu haben. Geopfert für etwas, was nur in seinen Gespinsten existiert hatte.
    Mir war nichts geblieben. Freude und Liebe war etwas, das ich nie wieder spüren wollte. Nie wieder wollte ich einen anderen Mann lieben. Ich zog mich zurück und wurde einsamer als ich es mir je gewünscht hätte. Einen Monat nach der Hinrichtung erfuhr ich, dass ich ein Kind in mir trug. Lyards Kind. Das Einzige und doch Wertvollste was er mir hatte hinterlassen können.
    Ich bekam eine wunderschöne Tochter. All meine Liebe brachte ich diesem Kind entgegen. Ich erzählte ihr oft von ihrem Vater. Wie er war, was er erlebte. Jedes mal hörte sie mir mit Begeisterung zu. Jedes Mal vergoss ich stumme Tränen und war dankbar für den Trost den sie mir gab. Dankbar etwas so Kostbares wie dieses Kind zu haben. All diese Geschehnisse sind jetzt über 20 Jahre her.Ich weiß, dass der Schmerz immer da sein wird, aber ich werde weiter leben. Für mich. Für meine Tochter. Für Lyard. Ohne zu zögern werde ich der aufgehenden Sonne entgegen blicken, mit dem Wissen einen Engel zu haben.
    Ich glaube nicht an Götter, denn sie nahmen mir das Liebste was ich je hatte. Aber ich glaub an Engel. Denn ich besitze einen, der für immer auf mich achten wird.

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    Hinterher finde ich einige Stellen unlogisch und habe sie auch teilweise gestrichen. Warum man nun auserechnet den Sohn Bürgermeisters opfert und nicht irgendeine beliebige Jungfrau (Klischee und so) ... naja, irgendeine Geschichte muss ja erzählt werde. Dass er so breitwillig sein Schicksal annimmt ist der Tatsache geschuldet, dass innerhalb dieser Lebensgemeinschaft der Glaube sehr weit oben steht. In vielen Religionen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man sich komplett dem Glauben hingibt und alles hinter die eigene Religion stellt. Zu oft leider auch das eigene Leben. Ähnlich ist es bei Lyard.
    Das Kind hieß ursprünglich Lilith, allerdings ist der Name so durchgekaut, dass ich es verallgemeinert habe.

    Als ich die Geschichte vor 5 Jahren geschrieben habe, hatte ich während des Schreibens einen Kloß im Hals, vielleicht provoziert er bei euch eine ähnliche Reaktion.